So, hier endlich die versprochene Fortsetzung des Ausflugstages.
Gegen 19 Uhr wieder in Pjatigorsk angekommen, haben wir uns überlegt, als Abschluss des schönen Tages noch gemeinsam etwas essen zu gehen. Wir, das waren Anne, Saskia, Johanna, Martin, Dima (unser Stammrusse) und ich.
Da das mit dem Essengehen in Russland immer so ne Sache ist, wollten wir (ich jedenfalls) am liebsten eine Lokalität aufsuchen, in der irgendwer schon mal gute Erfahrungen gemacht hat. Das erste Ziel dieser art war jedoch recht voll – es war ja auch immerhin der 6.Januar, d.h. ein Tag vor dem hiesigen Weihnachten – und für einen großen Tisch (den wir zu sechst wohl brauchen sollten) hätten wir einen Mindestverzehr von 1500Rubeln (ca. 45€) haben sollen. Da nicht alle was essen wollten, hielten wir die Summe für utopisch und gingen weiter. Ich wollte mich eigentlich schon nach Hause absetzen ließ mich jedoch überzeugen, doch noch mitzukommen. Auf dem Weg zum nächsten bereits erprobten Ziel (dem Restaurant, wo wir Heiligabend verbracht haben) kamen wir an einem ziemlich leeren, kleineren Restaurant mit dem schönen deutschen Namen „Erfolg“ vorbei. Da es arschkalt war, (fast) alle ziemlichen Hunger und wir keine Lust auf weitere überfüllte Cafés hatten beschlossen wir spontan, dem Erfolg eine Chance zu geben.
Und da nahm das Unglück seinen Lauf…
Zuerst war noch alles erstaunlich unkompliziert. Die Kellnerin war nett, wir durften Tische zusammenstellen und die Speisekarte gab auch einiges her.
Doch schon bei der Bestellung der Getränke ging es los: Pepsi und 7up sind aus, es gibt nur Mirinda… Naja, nicht neues, dann trinkt man eben neonfarbene Limonade…
Bei der Essensbestellung war die Kellnerin wohl plötzlich schwerhörig, wir mussten jeder dreimal sagen was wir wollen. Ich wollte etwas bestellen, was meiner Wortinterpretation nach eine Roulade hätte sein sollen. Bei meiner Bestellung meine die Kellnerin irgendwas von wegen „Preis pro 100g“, ich dachte mir nichts Böses dabei und bestellte trotzdem. Von den anderen wusste auch keiner so genau, was sie jetzt genau erwartete. Das erste was gebracht wurde, waren zwei Suppen und stellte sich sogar als erstaunlich genießbar heraus. Doch danach hieß es erstmal lange, lange warten. Vereinzelt kam mal ein Teller Pommes oder auch zwei, die eigentlich als Beilage gedacht waren, doch das Hauptgericht dazu, ließ weiterhin auf sich warten. Dafür bekamen wir viele Körbe Brot. Das ist an sich schon mal ein ziemlich ungewöhnlicher Service, dass zeigte sich dann daran, als die Kellnerin wieder einen auf taub machte und einfach ignorierte, dass wir gesagt haben, dass wir kein Brot mehr wollen, als sie danach fragte…
Irgendwann kam ein Teller mit Schweineohren, den leider keiner von uns bestellt hatte…naja, schwerhörig halt…
Später gab’s dann sogar noch zwei fehlende Hauptgerichte, die dazugehörenden Pommes waren zwar schon fast getilgt, aber immerhin. Der dritte Teller Pommes, das dazu gehörige Hauptgericht und mein Kartoffelpüree mit der dazubestellten Roulade hatte sich auch noch nicht blicken lassen.
Aufgrund des langen Wartens stellte sich auch wieder Durst ein, zwei Mirandas (die es ja vorher nur gab) wurden bestellt. Nach ungelogenen 20-30 Minuten kam die inzwischen etwas genervte Kellnerin um mitzuteilen, dass die Mirinda aus gewesen sei, jetzt aber eine neue Lieferung gekommen wäre und es jetzt Cola, Pepsi und Mirinda gebe, was die beiden, die Mirinda bestellt hatten, denn nun haben wollen würden. Sie sagten: zwei Mirindas.
Kurze Zeit später bekamen sie zwei Gläser 7Up. Wir erklärten uns das so, dass Frau Kellnerin wohl so auf 7 Up fixiert gewesen ist, dass sie weder gehört hat, was sie selbst, noch was Saskia gesagt hat… Naja, 7Up ist ja auch ok…
Inzwischen saßen wir schon gute anderthalb Stunden in dem äußerst zugigen Restaurant mit einer Musikauswahl von 5 Liedern und hatten immer noch nicht alle gegessen. Der dritte Teller Pommes war zwar zwischendurch aufgetaucht, aber leider völlig verkohlt und deshalb ungenießbar. Also fragte Dima mal nach, was mit seinem Huhn und meinem Gericht sei. Ja, es sollte „bald, bald“ kommen. Wir waren kurz davor schon zu gehen,
dann kam das:
Leider Gottes entpuppte sich meine Roulade als ein Eisbein.
So erklärte sich immerhin die lange Zubereitungszeit. Und ich muss wohl auch zugeben, dass das das einzige war, an dem die Kellnerin NICHT Schuld war. Ich hatte es ja bestellt, obwohl sie mich darauf hingewiesen hatte, dass man das was-auch-immer nach Gewicht bezahlt.
Auf mein zaghaftes Nachfragen bekam ich die Auskunft, dass es sich um ca. 700-800 Gramm handelte. Na, wenn’s weiter nichts ist.
Der Appetit war mir sowieso schon vergangen und bei dem Anblick erst Recht, aber man packte mir völlig selbstverständlich das ganze Vieh ein.
Naja, Dimas Huhn und mein Kartoffelpüree waren allerdings einfach komplett vergessen worden. Da hätten wir also noch lange warten können.
Also bestellten wir die Rechnung.
Das nächste Abenteuer war gewiss.
Es standen nicht nur die Schweineohren, die wir weder bestellt noch gegessen hatten auf der Rechnung, sondern auch die beiden Mirindas, die in Form von 7Up gekommen waren plus die 7Ups, die gekommen waren (also zwei Getränke zuviel). Außerdem stellte sich heraus, dass ich nicht 700 oder 800 Gramm Schwein bekommen hatte, sondern 1200 für 804 Rubel (knapp 25€).
Und für den ganzen verkorksten Abend standen auch noch die üblichen 10 Prozent Bedienung mit auf der Rechnung. Gut 200Rubel. D.h. um die 6Euro für die grottigste Kellnerin die mir je begegnet ist.
Als Dima sich über die Unklarheiten beschweren wollte, entwickelte sich eine Diskussion in die sich noch sämtliche andere Gäste und ein gerade vorbeigekommener Milizionär einmischten. Es wurde immer später und später und wir mussten schon fürchten vielleicht nicht mehr pünktlich zum Wohnheim zurückzukommen bzw. die letzte Straßenbahn nicht zu erreichen.
Im Endeffekt wurden die Ohren, die überzähligen Getränke und das Trinkgeld von der Rechnung genommen. Wir sparten uns den Stress auch noch getrennt zu bezahlen und flüchteten samt Schwein aus dem Restaurant und bekamen grade noch die letzte Bahn. Dank Martin musste ich mein Schwein nicht mal selber tragen und im Wohnheim angekommen sorgte dieses auch noch für die allgemeine Belustigung derer, die nicht mit unterwegs gewesen waren.
Zur Rechnung hatten wir noch einen Anstecker mit Lermontows Kopf darauf bekommen, die Erklärung dazu hatte jedoch keiner verstanden. Daher wurde der Anstecker kurzerhand in einen Schweineorden umgewandelt und mir sehr feierlich in unsere Küche verliehen.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge,
Isa
PS: Dieser Abend war natürlich ein Extrembeispiel für Essengehen der russischen Art. Es gibt schon Lokalitäten, in denen man auch bekommt, was man bestellt und wo die die Rechnung stimmt und manchmal ist auch die Bedienung zuvorkommend, wirklich freundliches Personal ist hingegen schon wieder eine wahre Seltenheit. Das SO viel schief geht ist jedoch wirklich eine Ausnahme.
PPS: Das Schwein wurde am nächsten Tag von ein paar ganz Mutigen probiert. Da es jedoch zu 50 % aus Knochen und zu weiteren 30% aus Fett bestand, kam es nicht ganz so gut an. Nachdem es noch einen weiteren Tag im Kühlschrank gefristet hatte, habe ich es dann den Straßenhunden gespendet, welche es auch - soweit sichtbar – restlos verputzt haben. Also bleiben mir von dem Zwischenfall nur noch die unangenehme Erinnerung, einige Fotos und der Orden. ;-)
7 Kommentare:
*Grins* Sehr huebsche Fotos hast du da.
Aber mir ist sowas auch schon passiert, in der zweiten Woche oder so, als ich in Kaya war. Dort waren wir in einem kleinen Marquis und der (sehr nette und zuvorkommende) Kellner zaehlte auf, was alles angeboten wurde. Ich entschied mich fuer Pâtes (=Pasta), da das bisher immer sehr leckere Spaghetti mit Tomatensauce waren. Meine Pâtes liessen enorm lange auf sich warten, was hier eher ungewoehnlich ist. Als sie dann kamen, entpuppten sie sich als "patte" (=Pfote),"patte" vom Schaf wohlgemerkt. Zwischen etwas Gemuese schwamm in einer roten Sauce ein kompletter Schafsfuss und mir verging spontan der Appetit.
Gluecklicherweise konnte ich meine Fehlbestellung rueckgaengig machen. Ich hab dann sicherheitshalber Riz Sauce arachide (Reiss mit einer scharfen Erdnusssauce)gegessen, da kann nicht viel bei schiefgehen. Seit dem Tag bin ich aber SEHR vorsichtig und bestell lieber gleich ganz direkt Spaghetti oder Maccaroni anstatt ganz allgemein Pâtes...
Das beruhigt ich ungemein. :-)
Aber auf "patte" wäre ich bestimmt auch herein gefallen. Im Französischen gibts auch eindeutig zu viele Homophone. Ich hab in unserem Test letztens "c'est" statt "sait" geschrieben...gehört hätte das niemand... ;-)
Ah, Isa, ich wurde eben schon mit Stiften, Papierfliegern und Radiergummis von den netten Amis in meiner Lounge beworfen, weil ich so laut über die Schweinehaxe lachen musste. Immerhin ist das Gemüse doch nett angerichtet ;)
Also das einzige Mal was hier passiert ist war beim Chinesen, als ich mit meinem Cousin und seiner sehr baldigen Frau (Sonntag ist es soweit) essen war und die Kaisersuppe pro Person berechnet worden ist anstatt als eine Portion (wir waren 3, sprich das dreifache von unserer Vorstellung). Und sonst stelle ich ja auch immer die Zickenfrage: "Niku ga haite imasu ka?" - "Ist da Fleisch drin?" weil ich eben doch ein MÜSLIIIIIII bin, sing* (hier ein kleiner Gruß an meinen Domel)
Mir ist aufgefallen, mir ist doch schonmal so was passiert, und zwar letzte Woche als ich "German Potatoes" bestellt habe. Ich meine, ok, die Beschreibung ist ja schon offen für viele Interpretationen, ich hab da an einfache Kartoffeln gedacht. Salzkartoffeln, Bratkartoffeln, was auch immer. Jedenfalls habe ich es bestellt.
Heraus kam...
ein matschiger Kartoffelbrei mit Schinkenstreifen. Äh, jaaaaaaa
Tja, ihr gebt euch zwar Mühe, aber, ich muss sagen, an mein Schwein kommt ihr trotzdem nicht dran. ;-)
Liebe Tochter, von einer Erkältung niedergerafft ist es mir nun auch gelungen, Deinen Schweinebericht zu lesen. Und wenn Du auch ziemlich gelitten haben mußt: mir verhilft die amüsierte Teilnahme an Deinem Schicksal offenbar zur Rekonvaleszenz. Ist es bedenklich, daß ich auf Galgenhumor positiv körperlich reagiere?
Ich denke, das ist völlig in Ordnung. Lachen ist halt gesund, auch auf Kosten anderer. ;-)
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